Wenn ich eines Tage im hohen Alter selbst in einem Seniorenheim sitzen werde, dann werde ich den dortigen AltenpflegerInnen von einem meiner Lebenshöhepunkte erzählen. Von dem Tag, an dem aus meinem Buch 10 Dinge, die ich von alten Menschen über das Leben lernte eine Oper wurde. Eine Oper über Altern und Altenpflege! Ich werde stolz darauf sein und sagen „…das hat vor mir keine geschafft, dass Altenpflege auf die Bühne kommt…..“

Wie es dazu kam, wie aus meinem Buch eine Oper werden konnte, kann man hier und hier auf meinem Blog nachlesen. Wie es sich aber anfühlte am Premierentag im Publikum zu sitzen und zu erleben, wie meine Figuren nach und nach lebendig wurden, davon berichte ich jetzt.

Foto: Barbara Pálffy für Musiktheatertage Wien

Eigentlich dachte ich, dass ich eher locker und ohne große Gefühlsausbrüche in der Uraufführung von Tanzcafé Schweigepflicht sitzen werde. Immerhin kenne ich jede Figur des Stücks, jede Geschichte auswendig, habe ich an den Texten, an jedem einzelnen Satz, manchmal stundenlang gefeilt. Da packen mich die Geschichten doch sicher nicht mehr! Oder doch?

Foto: Barbara Pálffy

Als ich dann zufällig zwei Stunden vor der Uraufführung auf Facebook ein Kurzvideo zum Stück sah und darin den Satz hörte „Wissen Sie, meine Frau erinnert sich vielleicht nicht mehr an mich. Aber ich erinnere mich an meine Frau. Das alleine zählt“, fuhr mir ein dumpfes Gefühl tief in meinen Magen und über meine Haut lief ein Schauer. Schlagartig war mir klar: Das wird ein sehr emotionaler Theaterabend für mich.

Und so war es dann auch. Der ganze Abend bestand aus tiefer Berührung und purem Glück. Berührung durch die Figuren und deren Geschichte, durch die Umsetzung der Schauspieler, durch die Poetik der Inszenierung und Glück darüber, dass ich das erleben darf.

Ich habe geweint, gestaunt und gelacht. Ich habe mich bei manchen Figuren gefreut sie quasi wiederzusehen und mit anderen wieder habe ich mitgelitten wie damals, als die Begegnung im realen Leben statt fand. Es war ein überwältigendes Gefühl zu sehen, wie meine Figuren, eine nach der anderen, zu leben begannen. Neu zu leben begannen! Es war einfach überwältigend. Als Frau Ninetti am Klavier ihre Molltonleitern spielte, bekam ich Gänsehaust. Als meine Großmutter gellend schrie „Kinder dreht euch nicht um!“ hat mein Herz aufgejault, als eine der Figuren bei „Singing in the rain“ sich wohlig duschte, lachte ich herzlich und als Hannah Goldberg endlich ihre Nelly im Arm hatte, schluchzte ich aus tiefster Seele.

Dazu die wunderbare Musik, komponiert von Jörg Ulrich Krah (er meinte im Vorfeld, mein Buch würde ihn inspirieren! Danke dafür!), die meine Figuren und ihre Lebensgeschichten begleitete. Für mich als Zuseherin spannend wie mit Musik Stimmungen erzeugt werden, wie Musik die Brücke darstellt zu Gefühlen, zum Unausgesprochenen, wie sie Raum schafft für Figuren und Bilder im Kopf erzeugt. Dann natürlich die Arien! Herrlich!

Foto: Barbara Pálffy

Besonders beeindruckt haben mich die sehr jungen Schauspielerinnen/ Sängerinnen. Was für eine unglaubliche Leistung, die Geschichte hochbetagter Menschen so ausdrucksstark und intensiv zu vermitteln. Ich werde Vivianne Causemann wohl nie vergessen, denn sie spielte meine verzweifelte Großmutter und alleine damit hat sie sich in mein Herz gebrannt. Ihre stummen Schreie als alte Jüdin, die vom Verlust ihres Babys erzählten, haben mich auch tief getroffen. Ich liebte es Da-Yung Cho aufgebracht und zornig ihre Arie singen zu hören in der Rolle der auf Schlankheit fixierten Anita und auch die Darstellung einer exaltierten Opernsängerin war wunderbar. Shirina Granmayeh hat mich tief berührt in ihrer Zartheit, wie sie in ihrem roten Kleid darauf wartet von ihrem Ehemann zum Tango geführt zu werden. In der Rolle als zornige pflegende Tochter wiederum war ich angetan von ihrer Kraft. Jakob Pinter hat mich zum Weinen gebracht als Ehemann, der weiterhin zusammen mit seiner Frau in einem gemeinsamen Bett schlafen will. Als mein Alter Ego, das nach dem Sinn des Lebens sucht, brachte er mich dazu über mich selbst zu lachen. Die einzige Schauspielerin in fortgeschrittenen Alter, Birgit Stimmer hat mich verzückt als Frau Ninetti und auch mit ihrer kleinen Tangoeinlage.

Foto: Barbara Pálffy

Danke an Thomas Desi und auch an Georg Steker, den zweiten Direktor der Musiktheatertage Wien, dass Ihr den Mut hattet das Stück auf die Bühne zu bringen. Danke an das gesamte Ensemble und alle beteiligten Menschen auf, vor und hinter der Bühne. Es war wunderbar!

Danke an Lebensweltheim, an Lazarus und Pflege Professionell für die kostenfreie Bewerbung von Tanzcafé Schweigepflicht im Vorfeld.

Presseberichte zu Tanzcafe Schweigepflicht:

Der Standard
Bezirksblätter
Dorfzeitung- Online Kulturzeitung
Falter
Salzburger Nachrichten und Kurier hier….

Tanzcafé Schweigepflicht – ein Höhepunkt meines Lebens